Keine zusätzliche Zertifizierung für Berufsbeistandspersonen durch halbstaatliche Organisationen wie den SVBB-ASCP

Autor: Marcel Borer

Der Regionalverband Basel der Berufsbeiständinnen und Berufsbeistände (VBBRB) stellt sich seit langem gegen die Bestrebungen des schweizerischen Dachverbandes SVBB-ASCP, eine – notabene wiederholend kostenintensive – Zertifizierung «Berufs­beiständin/Berufsbeistand SVBB-ASCP» einzuführen. Der VBBRB sieht keinerlei Nutzen darin, dass der Dachverband, der zum weitaus grössten Teil über öffentliche Gelder finanziert wird1, zusätzliche Hürden für die Arbeit von Berufsbeiständinnen und Berufsbeiständen aufbaut und unter dem Vorwand angeblicher Qualitätssicherung happige Jahresgebühren kassiert, dies wohlgemerkt ohne jeden erkennbaren Nutzen und Mehrwert.

Konkret befürchtet der VBBRB, dass mit einer Zertifizierung durch den faktisch halbstaatlichen Dach­verband SVBB-ASCP die berufsbedingt fragile Unabhängigkeit von Berufsbeiständinnen und Berufsbeiständen2 im Spannungsfeld von Tripelmandaten unnötig destabilisiert und somit ge­schwächt wird3.

Der VBBRB tritt von Beginn an konsequent für die Stärkung der berufsbedingt erforderlichen Unab­hängigkeit von Berufsbeiständinnen und Berufsbeiständen im immens weiten Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit ein4. Er befürwortet aus demselben Grund auch den Beitritt zum unab­hängigen Berufsverband AvenirSocial, Soziale Arbeit Schweiz. Die Mitgliedschaft bei AvenirSocial ver­pflichtet die Mitglieder auf den Berufskodex der Sozialen Arbeit und schliesst neben fundierten Informationen und Weiterbildungsangeboten auch eine berufliche Rechtsschutzversicherung mit ein. Im Gegensatz zum SVBB-ASCP macht AvenirSocial sein Wissen für alle offen zugänglich, was beim SVBB-ASCP als geschlossener Gesellschaft nicht der Fall ist. So bemängelt der VBBRB seit langem, dass der schweizerische Dachverband auf Staatskosten eine selektive Informationspolitik betreibt, was letztlich eine Spaltung und Zweiklassengesellschaft von Berufsbeistandspersonen begünstigt.

Eine Beschränkung auf formale Aspekte widerspricht dem Kern der Sozialen Arbeit

Eine Beschränkung von Zertifizierungskriterien auf objektivierbare formale Aspekte des Berufs­bildes wie Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Berufserfahrung, so wie es aktuell der SVBB-ASCP für eine Zertifizierung «Berufsbeiständin/Berufsbeistand SVBB-ASCP» vorschlägt, ignoriert gewichtige Teile der Arbeit von Berufsbei­ständinnen und Berufsbeiständen5. Hinzu kommt, dass die Qualität der Arbeit von Berufsbeistandspersonen in erheblichem Masse von der Organisations­struktur ihrer Arbeitgeber abhängig ist. Und gerade bei den Voraussetzungen am Arbeitsplatz sieht der VBBRB immer wieder höchst dringlichen Handlungsbedarf6, unter anderem auch betreffend einer weit über den Emp­feh­lungen der KOKES und des SVBB-ASCP liegenden Fallbelastung7.

Die KESB entscheidet über die Eignung von Beiständinnen und Beiständen

Die Erwachsenenschutzbehörde ernennt als Beistand oder Beiständin eine natürliche Person, die für die vorgesehenen Aufgaben persönlich und fachlich geeignet ist, die dafür erforderliche Zeit einsetzen kann und die Aufgaben selber wahrnimmt. Bei besonderen Umständen können mehrere Personen ernannt werden (ZGB Art. 400 Abs. 1).

Aus Sicht des VBBRB ist es richtig, dass auch zukünftig die KESB mit der Einsetzung einer Beiständin bzw. eines Beistandes im Einzelfall und gemessen am individuellen Schutz- und Hilfebedarf der von einer Beistandschaft betroffenen Person über die persönliche und fachliche Eignung der Beistandsperson entscheidet und insbesondere auch darüber, ob diese dafür die erforderliche Zeit aufbringen kann. Die KESB steht damit als gerichtsähnliches Verwaltungs­gremium in direkter Verantwortung und ist sowohl für die Instruktion (laufend) wie auch für die Qualitätssicherung im Rahmen der Rechenschaftsberichte (periodisch) zuständig. Hinzu kommt, dass bei der KESB auch das Beschwerdewesen gesetzlich geregelt ist8, was bei einer geschlossenen Gesellschaft wie dem SVBB-ASCP per se so gar nicht der Fall sein kann. Die Integrität von Beiständinnen und Beiständen ist somit in einem Beschwerdeverfahren im Vergleich zu einer von einem Verband wie dem SVBB-ASCP behandelten Reklamation deutlich besser gewahrt, da bei Ersterem für eine für alle «unabhängige Sachverhaltsermittlung» gesorgt ist.

Fazit

Der VBBRB lehnt die angestrebte kostenpflichtige Zertifizierung von Berufsbeistands­personen durch den halbstaatlichen SVBB-ASCP basierend auf den vorgenannten Argumenten in allen Punkten ab. Er empfiehlt dem SVBB-ASCP darüber hinaus, das kostenintensive Projekt fallen zu lassen und seine Energien – wie dies die Vereinigung Aargauischer Berufsbeiständinnen und ‑beistände (VABB) bereits in ihrer Stellung­nahme zum Konzept für eine Zertifizierung der Berufsbezeichnung «Berufs­beiständin/Berufsbeistand SVBB-ASCP» Ende Oktober 2021 gefordert hat – auf ein «Anforderungsprofil an Berufsbeistandsorganisationen» auszurichten. Im Übrigen teilt der VBBRB die Stellungnahme der Aargauischen Berufskolleginnen und -kollegen vom Oktober 20219 in allen Teilen.

Zur Person von Marcel Borer

Portrait Marcel BorerMarcel Borer war in den Jahren 2013 bis 2018 Vorstandsmitglied des SVBB-ASCP und Kontaktperson zu AvenirSocial. Er hat federführend das Anforderungsprofil an Berufsbeistandspersonen entworfen und war als Vorsitzender der Expertengruppe massgeblich an der Entwicklung «Leitfaden für Berufs­beiständinnen und Berufsbeistände – Systematik und Wissensbausteine für die Mandatsführung» beteiligt, der 2017 in seiner ersten Fassung in den Buchhandlungen erschienen ist. Er ist zudem Verfasser verschiedener Fachartikel zum Thema Soziale Arbeit im freiwilligen und gesetzlichen Bereich. Seine Publikationen wie beispielsweise «Sind Sie Beistandsperson, oder wollen Sie es werden? Was Sie wissen müssen»10 sind zuweilen auch mit einer Prise Humor gewürzt.

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1 Der grösste Teil der Einnahmen ergibt sich aus den von der Verwaltung (Berufsbeistandschaften) bezahlten Mitgliederbeiträgen für ihre angestellten Berufsbeistände. Der grösste Teil der Mitglieder berappt daher den jährlichen Mitgliederbeitrag nicht aus der eigenen Tasche, sondern lässt ihn sich (zwangsweise) von seinem Arbeitgeber bezahlen. Wie eine frühere Umfrage des Regionalverbandes ergeben hat, weiss ein erheblicher Teil der Berufsbeistandspersonen gar nichts über seine Mitgliedschaft beim schweizerischen Dachverband SVBB-ASCP.

3 Nassim Nicholas Taleb: Das Risiko und sein Preis – Skin in the Game (Hidden Asymmetries in Daily Life).

4 vgl. Anforderungsprofil an Berufsbeistandspersonen. 1.3: Stellung der Berufsbeistandspersonen | https://vbbrb.ch/de/anforderungsprofil-bb.html

5 vgl. das vom VBBRB 2017 vorgelegte Anforderungsprofil an Berufsbeistandspersonen | https://vbbrb.ch/de/anforderungsprofil-bb.html).

6 vgl. jährliche Umfragen des VBBRB | https://vbbrb.ch/de/umfrage-2020.html

7 Es besteht das Risiko, dass die Arbeitslast derart hoch ist, dass die Erbringung der Leistungen verunmöglicht wird | https://vbbrb.ch/de/newsletter-anzeigen/vbbrb-es-besteht-das-risiko-dass-die-arbeitslast-derart-hoch-ist-dass-die-erbringung-der-leistungen-verunmoeglicht-wird.html

9 Stellungnahme zum Konzept für eine Zertifizierung der Berufsbezeichnung «Berufsbeiständin/Berufsbeistand SVBB-ASCP» | https://www.vabb-aargau.ch/de/dokumente/?dir=Dokumente/SVBB/Stellungnahme-Zertifizierung

10 Sind Sie Beistandsperson, oder wollen Sie es werden? Was Sie wissen müssen | https://vbbrb.ch/de/newsbeitrag/sind-sie-beistandsperson-oder-wollen-sie-es-werden.html

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