Die unbegründete Angst vor Haftpflichtfällen und Regress auf Beistandspersonen
Haftungsfälle nach Art. 454 ff. ZGB treten sowohl bei privaten als auch bei professionellen Beiständen auf. Zwischen 2016 und 2018 gab es insgesamt 1'217 Haftungsfälle bei privaten Beiständen und 1'081 bei professionellen Beiständen. Somit treten Haftungsfälle bei privaten Beiständen im Vergleich zu professionellen Beiständen häufiger auf.
Die durch das Handeln von Beistandspersonen verursachten Schäden sind grundsätzlich durch die Staatshaftung zugunsten der betreuten Personen abgedeckt. Im untersuchten Zeitraum von 2016 bis 2018 sind keine vom Staat eingeleiteten Strafverfahren gegen Beistandspersonen bekannt, bei denen der Schaden grob fahrlässig verursacht wurde. Diese Informationen stammen aus dem Schlussbericht "Erhebungen zum Einbezug nahestehender Personen allgemein und zum Umgang mit privaten Beiständen im Besonderen" vom 28. August 2019, der im Auftrag des Bundesamtes für Justiz (BJ) von Ecoplan erstellt wurde.
Im Kapitel 8 des Schlussberichts wurde die Häufigkeit von Haftungsfällen bei der Mandatsführung untersucht. Bei den teilnehmenden Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) gab es in den letzten drei Jahren (2016-2018) insgesamt 2'298 Haftungsfälle. Davon wurden 1'217 von privaten Beiständen und 1'081 von professionellen Beiständen betreute Mandate erfasst. Dies entspricht durchschnittlich 406 bzw. 360 Haftungsfällen pro Jahr. Diese Zahlen können in Relation zur durchschnittlichen Anzahl von Personen mit laufenden Massnahmen gemäß der KOKES-Statistik 2016-2018 gesetzt werden. Es ergibt sich, dass es bei 1,4% der Personen mit laufender Massnahme zu Haftungsfällen bei privaten Beiständen und bei 0,5% bei professionellen Beiständen kommt.
Aus dem Bericht lässt sich nicht ableiten oder auch nur vermuten, dass es in den untersuchten Jahren zu einer Regressnahme auf die Beistandsperson im Rahmen eines Strafverfahrens gekommen ist. Es kann daraus geschlossen werden, dass es im untersuchten Zeitraum kaum oder gar nicht zu gerichtlichen Rückforderungen der staatlichen Haftpflichtleistungen gegenüber Beistandspersonen kam, weil diese den Schaden grob fahrlässig verursacht hätten.
Die Verantwortlichkeit und Haftung der Berufsbeistandspersonen ergeben sich aus Art. 454 ff. ZGB. Es handelt sich um eine staatliche Haftung nach kantonalem Recht, die im Falle grober Fahrlässigkeit eine Regressmöglichkeit gegenüber der Beistandsperson vorsieht. Die Anforderungen an "grobfahrlässiges Handeln" sind jedoch berechtigterweise hoch angesetzt. Daher kommt es bei den üblichen Fehlern, die in der Arbeit der Beistandspersonen zwangsläufig auftreten, in der Regel nicht zu gerichtlichen Rückforderungen des durch die staatliche Haftung abgedeckten Schadens.
Schlussbemerkung
Es ist irritierend, dass der Schweizerische Verband der Berufsbeistandspersonen (SVBB-ASCP) und die Zeitschrift für Kindes- und Erwachsenenschutz (ZKE-RMA), die von Fachhochschulen getragen wird, in ihren eigenen Veröffentlichungen ohne Begründung behaupten, dass es nur in wenigen Fällen zu Regressmassnahmen gegenüber Beistandspersonen im Rahmen von Strafverfahren gekommen ist. Die Autoren Markus Odermatt, Ignaz Heim, Dominik Frei und Fréderic Vuisssoz sind jedoch nicht in der Lage, ihre Behauptung mit Fakten zu belegen, dass es im untersuchten Zeitraum auch nur zu einem einzigen gerichtlichen Regress gekommen ist. Dies ist bedauerlich, da es für die Beistandspersonen von grosser Bedeutung wäre, da es sie persönlich betrifft.